Der Ausgangspunkt ist die Frage, wie es um die Klimapolitik steht. Mein persönlicher Blickwinkel: An Ostern 2023 formulierten wir sehr entschiedene Worte an Olaf Scholz, erstunterzeichnet von über 400 Prominenten aus allen Parteien und der Gesellschaft, mitunterzeichnet von vielen Tausenden. Wir schilderten die sofort notwendige, umfassende Klimapolitik. Zum Jahrestag schaute ich nochmals auf den Text. Was war seitdem passiert?
Nichts. Nein, sorry, das trifft es nicht ganz. „Weniger als nichts“ muss es heißen. Wir haben zum Beispiel damals darauf geachtet, dass auch Unionspolitiker und -politikerinnen unterschreiben können. Heute müssten wir noch sehr viel vorsichtiger formulieren, um sie für so etwas zu gewinnen. Die FDP vollführt – obwohl in der Regierung - eine ökologische Rückwärtsrolle. In den anderen europäischen Ländern sieht es ähnlich aus, wie Hedwig Richter und Bernd Ulrich gerade geschrieben haben.
Und die Perspektive? Für die nächste Europawahl steht ein Siegeszug der Rechtsaußen-Parteien an, der die Klimapolitik weiter ausbremsen wird. In Deutschland droht Herr Merz als Kanzler, der meint, Klimapolitik habe durchaus noch zehn Jahre Zeit.
Gleichzeitig erlebten wir 2023 das klimaphysikalische Horrorjahr schlechthin. In der Wissenschaft läuft die Debatte, ob es sich überhaupt noch in die vorhandenen Klimamodelle einfügen lässt. Es gab unzählige schreckliche Katastrophen.
Die Physik ist real, sie gilt für alle, sie verhandelt nicht. Das wird immer wieder gesagt. Langsam sollten wir zusätzlich anerkennen: Das MENSCHENGEMACHT am „menschengemachten Klimawandel“ ist genauso real. Mit Menschen kann man zwar verhandeln – aber es bringt wenig. Wir glauben – fast – alle an ein mehr oder weniger ausgeprägtes Weiterso. Das stetige Verdrängen und Leugnen gehören zum "menschengemacht" dazu!
Bisher hatte ich eine Resthoffnung. Was hat sie - nahezu - zerstört? Was war 2023 anders? Nicht so viel eigentlich. Aber noch ein verlorenes Jahr seither mit der Perspektive auf weitere verlorene Jahre ist der Punkt.
„Der Wahn beschreibt eine feste Überzeugung, die trotz gegenteiliger Evidenz nicht verändert werden kann.“ Steht im Katalog für psychische Erkrankungen DSM-5. In der Individualtherapie würde man einem Patienten, die Tatsachen persönlich erklären. Auf der kollektiven Ebene läuft dergleichen über die Medien, die Klimagruppen etc. D.h. es gibt schon Unterschiede. So sind die Menschen weniger "fest überzeugt" als verwirrt - und machen halt so weiter.
Der größte Unterschied von allen ist aber der, dass hier nicht einer spinnt während die anderen normal sind. Sondern eher erliegen alle einem Trugschluss und nur wenige haben den richtigen, radikalen Blickwinkel eingestellt.
Es würde sehr helfen, wenn wir das Beispiel anderer intelligenter Spezies hätten, die es schon einmal verbockt haben. Oder wenn wir auf eine Zeit in der Menschheitsgeschichte zurückblicken könnten, in der wir die Zivilisation neu aufbauen mussten. Derlei Vergleiche fehlen jedoch.
Von daher ist’s schwierig zu lernen und zu verstehen. Dafür gibt es zwar die Wissenschaft. Aber um ihr nicht zu glauben, greifen wir auf die Küchenpsychologie - in einem sehr weitentwickelten Stadium - zurück.
Wer meine realistisch-pessimistische Einschätzung bezweifelt, möge sie selbst prüfen. Alle Quellen dazu sind heute leicht zugänglich. Ich finde, diese Recherche ist dem Menschen zumutbar.
Der Blick in die eigene Garage, in die Urlaubsfotos, auf den eigenen Teller könnten den Anfang der Recherche bilden. Ob das alles legal ist, was dort zu finden ist, spielt keine Rolle! Es geht nur um den Umweltverbrauch.
Greifen wir also die Frage der Aktionsformen auf. Und erweitern wir den Blick auf Nicht-Aktionen. Denn wer selbst nicht in Aktion geht, macht etwas anderes. Irgendetwas tut man ja. Aktionsformen sind Lebensformen. Und inmitten der eskalierenden Klimakrise, in der sich das Zeitfenster vor den Kipppunkten extrem schnell schließt, müssen Aktions- und Lebensformen diskutiert werden.
Die Journalistinnen, die die Aktionsform Hungerstreik hinterfragen wollten, haben sich die Antwort auf ihre eigene Frage aus ihrem nichtradikalen und somit nicht angemessenen Blickwinkel heraus bereits gegeben. Sie lautet: „Lasst den Hungerstreik sein, behaltet lieber eure Gesundheit! Denn wir werden eure Aktionsform endlos diskutieren, aber niemals Ernst machen mit unserem eigenen radikalen - und damit angemessenen - Beitrag zum Klimaschutz“. Man könnte auch sagen: Sie haben die eigentliche Frage nie richtig gestellt, um die es heute wirklich geht.
Und sie muss gestellt werden. Und die Antwort? Die gilt es weiter zu suchen. Und sie wird je nach Person und Begabung unterschiedlich ausfallen. Grundsätzlich geht es um die Selbstachtung und Würde innerhalb einer scheiternden Spezies Mensch, wie Thomas Metzinger es formuliert hat. Die Frage lautet: Wenn nicht Hungerstreik, was dann?