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Wollen oder Nicht-Wollen – das ist hier die Frage

Christoph Burger • 4. Juli 2023
Jetzt, da die Ökokrisen unser etabliertes Leben bedrohen, lässt sich die berühmte existentielle Frage Hamlets updaten: Wollen wir das Weiterso um jeden Preis? Stehen wir dazu, was dies bedeuten würde? Oder sind wir nur stimmfest, wenn wir uns darüber beschweren, dass die Klimaspinner uns die Freiheit rauben wollen?

Weiterso – mit allen Konsequenzen?

Wir wissen genau, was wir wollen und was nicht. Trotz Klimakrise will die Mehrheit erkennbar vieles nicht: Ihre Jobs, ihre Mobilität, ihren Urlaub, ihre Ernährungsgewohnheiten und ihre gewohnte politische Führung klimamoderater Parteien in Frage stellen. Nicht umdenken, nicht umfühlen. Und keinesfalls: Fehler einräumen! Nein, diese Aufzählung des Schreckens; diese nackten Zumutungen kann eigentlich keine und keiner wollen.

 

Um unseren erregten Widerstand hervorzurufen, genügt wesentlich weniger, als aufs Ganze zu gehen. Die Andeutung reicht schon. Sobald es nur ein bisschen so wirkt, als könnte es nun ernster werden mit dem Klimaschutz, reagieren wir, als ginge es um unser letztes Hemd. Welch ein Riesen-Aufschrei gab es, als beispielsweise die Grünen im Bundestagswahlkampf 2021 die CO2-Steuer um einen einzigen Cent erhöhen wollten.

 

Unser Wille ist stets laut, deutlich und selbstbewusst. Immer?

 

Nein. Sobald es darum geht, die Konsequenzen unseres Handelns aufrecht zu tragen, wird es leise. Damit will niemand etwas zu tun haben. Eigentlich müssten wir dabei bleiben: Fleisch essen, in Urlaub fliegen, fossil PKW fahren, das hat seinen Preis. Wir müssten einräumen: „Ja, wir sind bereit, unseren Lebensstil zu verteidigen, notfalls wollen wir Überflutungen, Hitzewellen, Waldsterben und Wasserknappheit. Unser Komfort und eine Politik im milden Rausch sind uns wichtiger, als spätere Einschränkungen für unsere Kinder oder für Menschen im globalen Süden es je sein könnten! Wir wollen das Weiterso, etwaige Katastrophen nehmen wir in Kauf!“ Doch das würden wir nie sagen!

 

Wir lehnen es ab, mit den Fakten der Klimakrise konfrontiert zu werden, wenn sie unser persönliches Verhalten berühren. Wir widersagen, irgendjemandem Rechenschaft schuldig zu sein. Wir weisen es als unverschämt zurück, von anderen als zynisch oder unmoralisch angesehen zu werden. Aber wir wollen unseren Überkonsum fortsetzen. Ja was denn nun?

 

Um unser Verhalten einerseits und wissenschaftliche Warnungen und reale Katastrophen andererseits irgendwie zusammen zu bringen, vollführen wir geschmeidige Verbiegungen. Wir streiten, gerne emotional. Und solange, bis wir uns davon überzeugt haben, dass es wirklich darum geht, worüber wir uns streiten. Die Zumutungen des „Heizungshammers“, die Zukunft der deutschen Diesel-Hochkultur und das Recht, Curry-Wurst zu essen - whatever.

Warum Menschen klimakleben wollen

Bei dem, was wir wollen, sortieren wir fein säuberlich: Die eine Seite unseres Verhaltens, die freie Entscheidung, stellen wir ins Licht. Die andere Seite, die Folgen für andere Menschen und unsere Lebenswelt, rücken wir in den Schatten. Darauf hingewiesen werden? Ein Affront!

 

Bei Streiterinnen und Streitern fürs Klima sehen wir zwei Erklärungen für ihre abweichenden Argumente und ihr befremdliches Verhalten: unvernünftiger, irgendwie irrer Wille – oder Niedertracht. Oft kommt beides zusammen.

 

Die grünen Klimafans pflegen eine krude Vorliebe für Soja und andere "Fleischersatzprodukte" – wie das schon klingt! Während sie die normalen Würstchen und lecker duftenden Steaks verabscheuen. Immerzu spielen sie in den Fragen des täglichen Lebens die Moralapostel. Warum? Vermutlich einfach aus Lust daran, sich so aufzuführen! Vielleicht aus Neid. Oder aus Missgunst. Wer weiß das schon genau. „Linksgrün versifft“ fasst es ganz gut zusammen.

 

Klimawissenschaftler:innen geht es keineswegs um die Sache, von der sie behaupten, dass es ihnen darum ginge. Wer weiß es nicht: Ihre Warnungen, ihre Erkenntnisse übers Klima und ihre angebliche Sorge um die Menschheit dienen nur einem: Sie wollen wahnhaft immerzu mehr Forschungsgelder.

 

Vollends wirr wirds beim Klimakleben. Sich bei Wind, Kälte oder Hitze auf die Straße kleben, sich beschimpfen, bespucken und schlagen zu lassen, sich Schmerzgriffen, Haft und Geldstrafen auszusetzen, wirkt ungemütlich – auf den ersten Blick. Aber irgendwie scheint das manchen trotzdem viel Freude zu machen. Sie tun es – also wollen sie es auch. Leute grundlos ärgern als Freizeitvergnügen scheint für sie den Einsatz aufzuwiegen. Oder halt das andere: Klimawahn!

Homo Sapiens: Sein oder nicht Sein?

Wenn ich aufgebrachten Autofahrer:innen bei Klimablockaden sage: „Die wollen das auch nicht, denen fällt nur nichts Besseres ein“, verraucht im Bruchteil einer Sekunde ihre Wut. Eben scheinen sie fast zu platzen und müssen ihren Zorn unbedingt an irgendeine menschliche Adresse bringen – plötzlich ist er weg. Selbst Häme oder Unverständnis verschwinden. Aus dem Nichts wird greifbar: Da stehen wir also in der Klimakrise!


All den Aufwand, uns selbst und die Welt zu erklären, unsere komplizierten Argumente, unsere erregten Debatten, betreiben wir, um zu verdrängen. Wenn wir weiter die Kehrseite unseres Lebens verleugnen, wenn wir weiterhin die guten Gründe des Engagements von Grünen und Klimabewegung ignorieren, also die Realität weiter leugnen, wird sich die Frage unseres Wollens endgültig zur existenziellen auswachsen. Zur Frage des Seins oder Nicht-Seins unserer Spezies.

 

Wir haben es in der Hand. Wenn wir uns tatsächlich Zugrunderichten wollen, kann uns keine Macht der Welt daran hindern.



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