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Klimakrise: Mit Zukunftscontainern die parteipolitische Blockade überwinden

Christoph Burger • 30. Juni 2024
 Wir versuchen, eine parteiübergreifende Aufgabe mit den Mitteln der Parteipolitik zu lösen - und scheitern daran. Ein Ausweg könnte das Konzept der Zukunftscontainer bieten.

Die Nuss, die geknackt werden muss

Seit Jahrzehnten geht es in der Klimapolitik zwei Schritte voran und einen zurück. Und wenn die Zeiten schlecht sind, dreht sich das Verhältnis sogar um. Wir fallen zurück. Oder führen Rückzugsgefechte. Und das, obwohl wir alle wissen, wie sehr die Klimakrise - und die anderen planetaren Grenzen - drängen. Warum also kommen wir nicht in die Gänge?


„Die Nuss, die geknackt werden muss, ist das politische System“ erklärt - völlig zu Recht - der Protestforscher Simon Teune. Das „parteipolitische“ System, würde ich präzisieren. Was Teune damit auch sagen will: Den Druck zu erhöhen, würde keinen entscheidenden Unterschied machen.



Warum nicht? Weil der Ausweg fehlt. Um dies zu verstehen, werfen wir einen Blick auf die Verantwortlichen.

Normale Menschen in der Politik

Was ist denn mit denen, die vor allen anderen handeln müssten? Zum Beispiel, weil sie darauf Amtseide geschworen haben oder als unsere Vertreterinnen und Vertreter in den Parlamenten sitzen? Menschen halt. Klar, als Klimaaktivist kämpfe ich anders. Aber grundsätzlich sieht es doch so aus:


Wir alle tun (fast) alles, um

  • Unseren Job zu behalten
  • unseren Einfluss zu bewahren
  • die etablierte Zusammenarbeit mit denen, die wir mögen, fortzusetzen
  • aktiv gestalten zu können
  • unser Selbst- und Weltbild zu schützen


Der letzte Aspekt beinhaltet, keine dramatischen Fehler eingestehen zu müssen. Wir wollen unsere Grundorientierungen und Werte behalten. Unseren Freundeskreis. Unsere Lieblingsbeschäftigungen. Unsere Routinen. Unsere Urlaubsplätze. Oder, anders herum: Wir wollen explizit NICHT unser gesamtes Leben umkrempeln! Egal, was die Klimakrise „davon hält“.


Für Politikerinnen und Politiker gilt dasselbe. Und das ist einerseits großer Mist. Aber andererseits ist es vollkommen verständlich.


Gleichzeitig wissen die politisch Verantwortlichen genau: Die Politik, die am Ende bei all dem herauskommt, genügt bei weitem nicht den Anforderungen. Das eine widerspricht dem anderen. Aber beides stimmt. Was also tun?

Endlich konkret werden

Als wir im Herbst 2023 mit über 400 Wissenschaftler:innen drei Kriterien zur parteiübergreifenden, ambitionierten Klimapolitik veröffentlicht hatten, dachten wir: Das ist konkret! Zumindest war es viel konkreter als der viel beachtete Appell an Bundeskanzler Scholz und die Verantwortlichen im Land, den wir im Osterbrief (über 400 prominente Erstunterzeichnende) unter dem Hashtag #UnsereGenerationUnserJob formuliert hatten.


Doch vom Deutschlandfunk und dem vortrefflichen Podcast „Lage der Nation“ kam auf unsere Erklärung im Herbst die Rückmeldung: Was stellt ihr euch konkret vor?


Aus der Auseinandersetzung damit entstand #ZaubertrankZusammenhalt.

#ZaubertrankZusammenhalt: Hauptprojekt 2024

Stimmt, haben wir zunächst festgestellt: Die Kritik trifft zu! In politischen Formaten gedacht, sind die drei Kriterien vom Herbst unpräzise. So etwas wie ein „CO2-Budget“ hat eine ganz andere Flughöhe als, sagen wir, ein „Bundestagsausschuss“.

 

Das ist also zweifellos ein Problem. Dabei müssen wir, so die Annahme, diese Hürde nicht alleine überwinden. Fragen wir doch einfach die Profis, die Politikerinnen und Politiker! Zumal wir sie dann bei unseren Grundannahmen mitnehmen können.

 

Das gesuchte politische Gesprächsformat haben wir „Zukunftscontainer“ getauft. Seit Februar 2024 sprechen wir mit (Bundes-) Politikerinnen und Politikern darüber. Unterstützerinnen sind (derzeit – weitere Organisationen sind willkommen!) die AG Abgeordnetengespräche der Fridays For Future und die Regionalgruppe Stuttgart der Psychologists For Future – neben dem „Team UnsereGenerationUnserJob im Klimastrategienetzwerk.

Zukunftscontainer auf Bundes- und Regionalebene

Erstaunlich schnell sammelten sich erstaunlich konstruktive Ergebnisse an und verdichteten sich zu praktikablen Ideen. Für die Bundesebene zeichnete der Umriss eines Zukunftscontainers ab. Und, ganz neu, durch Kollaboration mit den MdBs entstand die Idee von regionalen Zukunftscontainern. Demokratische Abgeordnete tun sich zusammen und starten eine Initiative fürs Klima, die sie parteiübergreifend tragen (z.B. die MdBs eines Wahlkreises).

 

Sie sammeln damit Erfahrungen, die in anderen Wahlkreisen genutzt werden können. Überall in Deutschland entstehen solche Zukunftscontainer. Damit verbreiten sich grundlegende Gedanken wie:

 

  • Ein Kernproblem der Klimapolitik ist der parteipolitische Wettstreit, der an sich natürlich berechtigt ist, aber zugleich echte Fortschritte blockiert
  • Um die Bevölkerung vom nötigen Umbau zu überzeugen, reicht eine temporär zugebilligte parlamentarische Mehrheit von knapp über 50 Prozent nicht aus; solange andere demokratische Parteien dagegen schießen, um parteipolitische Punktsiege zu erzielen
  • In einem Spiel, in dem der Einsatz hoch ist (eigener Job und Einfluss etc.) will niemand einfach so verzichten
  • Klima wird als Kernthema der Grünen behandelt und an sie delegiert. Gleichzeitig wird die Partei als Wettbewerber bekämpft
  • Die Blockade kann per Überparteilichkeit / Zukunftscontainer auf eine Weise überwunden werden, die sicherstellt, dass keine einzelne Partei einen gravierenden Vorteil oder Nachteil hat.

 

Dieses Herangehen verbreitet sich nach und nach. Das ist schon mal gut. Und gut ist darüberhinaus: Wenn es günstige Zeiten gibt, können wir auf die entsprechenden Mindsets und Strukturen aufbauen.

 

Endlich entsteht eine Orientierung für die verwirrten und desorientierten Menschen in der Klimakrise. Das ist so wichtig, zumal es diese Menschen allzuleicht nach rechts treibt, wo es die einfachen Antworten – statt des verwirrenden und destruktiven Parteienstreits – gibt.

Der Plan steht, mach mit!

Der Plan steht also! Auch in den – hier nicht geschilderten – Details. Was wir jetzt nur noch brauchen: Mitstreiterinnen und Mitstreiter! Und / oder Finanzen, um Menschen dafür zu bezahlen, die Zukunftscontainer zu etablieren - d.h. v.a. MdBs anzuschreiben und mit ihnen zu sprechen (diese Container selbst zu moderieren ist momentan nicht vorgesehen).

 

Der Hashtag #ZaubertrankZusammenhalt bezieht sich übrigens auf die Asterix-Bände, bei denen der Erhalt des Dorfes bedroht ist. In einigen scheinen „die Römer“ schon zu gewinnen – weil wirksame Intrigen die Dorfgemeinschaft zu zerbrechen drohen. Doch am Ende raufen sich die Bewohnerinnen und Bewohner wieder zusammen. Und es zeigt sich: Der vom Druiden gebraute Trank ist das eine. Aber die wichtigste Essenz des allen Bedrohungen widerstehenden Dorfes ist die Gemeinschaft.

 

Vielleicht sind Zukunftscontainer so etwas wie der fehlende Zaubertrank. Vielleicht geht es aber auch nur darum, dass wir uns endlich zusammenraufen.

 

Wo es schon einmal einen Plan gibt: Was wirst du tun?

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