Wir Menschen sind, soweit wir wissen, im Universum einmalig. Und wir existieren seit Menschengedenken. Aber mal angenommen, es gäbe im Universum durchaus zahlreiche ebenso intelligente Spezies wie wir. Sie konnten nur die Zivilisation nicht erhalten.
Wenn dies so wäre, befänden wir uns gerade mitten im Untergang – der dann aber ziemlich normal wäre. Das Phänomen wäre unter intelligenten Wesen im Universum durchaus verbreitet, so bitter und leidensreich es für uns - oder die betroffenen unter uns - ist. Klassischerweise wüchse eine Zivilisation heran. Sie entwickelte fortgeschrittene Technik. Sie triebe sie mit billiger Fossilenergie an. Und sie scheiterte an der Klimakrise, bevor sie ihre Existenz großartig im All herumposaunen kann (es gibt übrigens circa 10 hoch 20 erdähnliche Planeten - und Astrophysiker, die daher genau von diesem Szenario ausgehen mehr dazu hier, sehr lesenswert).
Grünes Wachstum verspricht Trost und Hoffnung. Der Rahmen, über den wir reden: Das langjährige Wachstum der weltweiten Wirtschaft von 2,8 Prozent fortgeschrieben, würde bedeuten: Im Jahr 2100 würden wir 16 mal so viele Güter produzieren, kaufen, konsumieren wie im Jahr 2000. Mal angenommen, die Entwicklung des grünen Wachstums hält da nicht mit. Was dann?
Dann wäre das "grüne Wachstum" kaum mehr als ein Mittel der Selbstberuhigung. Und eines, auf das wir uns keinesfalls verlassen sollten - es ist eher ein Gedankenexperiment, dass es funktioniert.
Kommen wir jetzt zu den eher positiven Szenarien:
Wer mit Bundespolitiker:innen spricht, kennt das Phänomen. Man teilt ihnen seine Sorgen mit und es fühlt sich an, als rede man mit einem Stein. Bzw. einer Teflon-Pfanne. Bzw. einer Ausreden-Phrasendresch-Maschine. Das höchste Glück der Klimaengagierten wäre, dass die MdB die Fakten so bewerten und so fühlen wie wir. Angenommen, das wäre so: Es gäbe einen (oder mehrere) Politiker:innen im deutschen Bundestag, denen es tatsächlich so geht, wie uns Klimaaktivisti. Sie erlebten einen Moment, ab dem alles anders war. Sie erkannten die Dringlichkeit der Klimakrise. Sie sehen seither das sofortige, umfängliche Gegensteuern als absolut vordringlich an. Was würde nach diesem Aha-Moment passieren?
Sie würden zu den Kolleg:innen gehen und sie ohne Umschweife ansprechen. Sie würden bei der Fraktionsführung und der Parteispitze anklopfen und auf Maßnahmen drängen. Sie würden nicht ruhen können, ohne dass etwas passiert.
Und dann würde ihr Umfeld sie genauso auflaufen lassen, wie es die Klimabewegung auflaufen lässt. Unsere MdB würden zunächst nicht klein beigeben. Doch irgendwann würde es zu viel für sie – zumal ihre Fortschritte mikroskopisch gering wären im Vergleich zur überwältigenden Größe des Notwendigen. Sie würden frustriert hinschmeißen. Sie würden das politische Feld verlassen, um zumindest endlich frei sagen zu können, was sie denken. Um wenigstens nicht ständig mit dem unerträglichen Stillstand der Profipolitik konfrontiert zu sein. Würde also der sehnlichste Wunsch derer in Erfüllung gehen, die sich einen durchschlagenden Erfolg von Politik-Gesprächen wünschen - es würde sich nichts ändern.
Doch an einem anderen Szenario arbeiten noch viel mehr in der Klimabewegung:
Viele in der Klimabewegung wünschen sich sehnlichst, dass wir mehr werden. Wenn erstmal 10.000 Menschen Straßen blockieren … denkt die Letzte Generation. Wenn die Dynamik der Global Strikes wieder aufleben würde, hoffen FFF. Dazu: Hunderte haben eigene Ideen. Diese sind teilweise ausgezeichnet. Es mangelt ihnen nur an einem Punkt: Zu wenige machen mit.
Mal angenommen, der Wunsch würde Wirklichkeit und die Klimabewegung würde zu alter Stärke zurückfinden. Und dann? 2019 waren 1,4 Millionen auf den Straßen in Deutschland. Und heraus kam ein Klimapäckchen. Das parteipolitische und machttaktische System hat damals die 1,4 Millionen locker abgefedert ohne sich groß zu ändern. Ein wenig Zurückweichen hat gereicht. Hätte es einen Unterschied gemacht, wenn es 2 Millionen gewesen wären?
Der Protestforscher Simon Teune vermutet, dass Mehrwerden nichts bringt. Die Nuss, die geknackt werden müsse, sei das politische System, sagt er. Das parteipolitische System, würde ich sagen. Damit will ich nicht den engagierten Protest kleinreden. Das Problem ist nur:
Die gängige Lesart ist: Der Zuwachs an AfD-Wählenden bedeutet einen Rechtsruck und diese Menschen sind für Fakten kaum noch zu erreichen. Richtig ist: Die noAfD sind Faktenfeinde. Wir werden uns nie mit ihnen einig sein.
Mal angenommen, die meisten derer, die nach rechts gerutscht sind, erkennen die Klimakrise durchaus an und fürchten sich davor. Aber wenn sie die Gefahren der Klimakrise kennen, wie können sie dann mit den rechten Faktenfeinden kuscheln gehen? Weil sie dort eine Lösung für ihre Furcht bekommen. Eine irrationale zwar. Aber dieser irrationale Beigeschmack lässt sich offenbar verdrängen. "Das Problem abschaffen" ist auch eine Form der Lösung.
Zum Leugnen gehören zwei Schritte. Erstens: Ich erkenne ein Problem. Zweitens: Ich leugne es. Wenn ich beim Leugnen so verzweifelt bin, dass ich sogar zur noAfD renne, muss das Problem gigantisch groß sein - und das ist es.
Die Menschen sind ja nicht völlig verblödet. Sie sind nur verzweifelt und desorientiert. Kein Wunder, sieht man nur mal auf Christian Lindner von der „bekennenden Egoistenpartei“ (Bernd Ulrich). Oder auf Friedrich Merz und Carsten Linnemann mit ihren populistischen Sprüchen. Oder auch auf Olaf Scholz, der im Einklang mit der Mehrheit der SPD stets erzählt, Krisenpolitik ginge im Wohlfühlmodus.
Dies würde zusammengenommen bedeuten:
Momentan geht jegliche Klimapolitik nur mit maximalem Streit über die Bühne. Mal angenommen, die demokratischen Parteien nähmen Überlebensfragen aus dem politischen Streit heraus. Was würde passieren?
Die Parteien könnten sich weiter parteipolitisch auseinandersetzen und ihren Wettbewerb um die Gunst der Wähler:innen, um die Macht und um ihre Themen fortsetzen. Aber wesentliche Kernpunkte der Klimapolitik würden sie genauso selbstverständlich verteidigen, wie heute schon die Demokratie oder die Europäische Union.
Die Menschen in Deutschland hätten endlich politische Vertreterinnen und Vertreter, die den Kopf-Spagat, der ihnen derzeit überall zugemutet wird, beenden. Die Krisen, von denen sie wissen und die sie ständig sehen, würden endlich als Krisen behandelt. In dieser Lage wären viele sofort dazu bereit, ihren Anteil zu leisten. Es würde eine Dynamik entstehen. Weniger die Klimabewegung als Akteur im politischen Kampf würde gestärkt, als eine dynamische Entwicklung der gesamten Gesellschaft ausgelöst. Zahllose kleine und größere Einzelentscheidungen würden sich ändern, weil sie endlich einen Sinn ergäben. Und manche guten Ideen, die momentan schlecht ins Laufen kommen, würden ebenfalls profitieren.
Die Faktenfeinde blieben unsere Feinde. Die Fossilkonzerne und -manager wären zu bekämpfen. Aber dank der ausgelösten Dynamik hätten wir eine Chance, den anstehenden Epochenwechsel endlich produktiv anzugehen.