Blog-Layout

Klimakrise: Was Menschen an den Bundeskanzler schreiben

Christoph Burger • Okt. 20, 2022
 Menschen haben an Olaf Scholz geschrieben, um ihre persönliche Sicht auf die Klimakrise mitzuteilen und ihre Forderungen an den Bundeskanzler zu richten. Es sind sehr lesenswerte, betroffen machende und aufrüttelnde Texte entstanden.

Keine Scheu vor Verzicht fürs Klima

Das Projekt #BitteAnOlaf fragt im Rahmen der Klimapolitik-Kampagne #Wortblockade unter anderem danach, was Menschen persönlich gegen die Klimakrise tun. Immer nur auf andere zu zeigen („Aber die Chines:innen …“) sollte der Vergangenheit angehören, so die Idee. Voraussetzung für die Teilnahme ist es aber keineswegs, privat vorzulegen.


So wäre auch beispielsweise folgende Antwort möglich: „Die Politik sollte sich bewegen!“. Oder auch: „Ich lebe privat wie ich mag, aber engagiere mich politisch. Darin liegt der größere Hebel!“ Wer derlei schriebe, hätte die Fakten auf seiner Seite. Der Footprint-Rechner wurde populär, nachdem sich der Mineralölkonzern BP mit einer Werbeagentur beraten hat (vgl.). Die Fragestellung des Mineralölkonzerns BP war: wie lenken wir am besten von den eigenen Geschäften ab und verlagern die Auseinandersetzung ums Klima ins Private?


Hinzu kommt: In einem Industrieland wie Deutschland sind die Mittel einzelner Menschen begrenzt. So konnten in einem Feldversuch Berlinerinnen und Berliner trotz hoher eigener Ambitionen und wissenschaftlicher Hilfestellung ihren persönlichen CO2e-Abdruck auf lediglich 7,8 t drücken. Der Grund: allein die öffentlichen Strukturen eines reichen Industrielandes wie Deutschland belasten das persönliche Konto jedes hier lebenden Menschen erheblich.


Die Teilnehmer:innen bei der Wortblockade scheuten indessen nicht davor zurück, ihren eigenen Lebensstil der existentiellen Krise entsprechend anzupassen! Viele fliegen nicht mehr, fahren kein Auto, essen kein Fleisch mehr. So auch Judith Blättler, Studentin der Agrarwissenschaften, die sich zudem politisch engagiert:

Die IT-Projektleiterin und Fleischliebhaberin Birgit hat ihr Verhalten umgestellt - obwohl das keineswegs ihren persönlichen Vorlieben entspricht:

Scan handschriftlich:

Die Zweifel, die sie am Schluss ihres Statements äußert, ob ihre persönlichen Konsequenzen überhaupt etwas bringen, sind leider berechtigt: wenn die Politik sich nicht bewegt, haben wir keine Chance!

Was die Klimakrise mit uns macht

Einige der Antworten auf die Frage, wie es den Teilnehmerinnen und Teilnehmern mit der Klimakrise geht, dürften die meisten, die sie lesen, heftig durchrütteln. So zum Beispiel die nüchternen Worte von Ben. Obwohl er erst 21-Jahre alt ist, engagiert er sich schon seit einigen Jahren für Klimagerechtigkeit. Heute schreibt er darüber, dass seine Hoffnung schwindet, welche drastischen Schlüsse er privat zieht und worüber er trauert:

Kaum zu ertragen sind auch die Schilderungen der Eltern, die sich um ihre Kinder und Enkel sorgen. So zum Beispiel eine junge Mutter, die versucht, ihren 8-Monate alten Sohn zu schützen, wie es jede Mutter versuchen würde. Doch in Sachen Klimakrise sind ihr durch die weithin ungenügende Politik die Hände gebunden.

Scan eines Textes:

Schwer erträglich ist auch das Beispiel von Dr. Ingo Kerkamm. Der Geo-Wissenschaftler und  Vater von vier Kindern engagiert sich selbst maximal. Sowohl per Anpassung des Lebensstils, als auch politisch. Wenn man seine Wort liest, möchte man Herrn Scholz fragen: "Hören Sie diese Menschen rufen?"

So geht es mir persönlich mit den ökologischen Krisen:

Einen erschreckenden Rückblick auf die untätige Politik der letzten Jahrzehnte wirft auch der Physiker Dr. Hartmut Voigt. Er sagt, vor allem der Klimawandel, den er seit 1985 kommen sah, habe ihn sehr belastet. Heute hat er zwei Enkel, um deren Zukunft ihm "Angst und Bange" ist, wie er schreibt:

Das Dramatische ist: ein rationaler Blick auf die Klimaphysik und die weltweite Klimapolitik können die Mütter und Väter nicht beruhigen. Ganz im Gegenteil: Je stärker man die Ratio einbezieht und die wissenschaftlichen Fakten sichtet, desto trüber werden die Aussichten!


Ein Diplompsychologe und Psychotherapeut benutzt dafür den Begriff „Realangst“. Er wirft bereits jetzt einen Blick darauf, wie es vermutlich in Zukunft in den psychotherapeutischen Praxen der Republik aussehen wird:

Scan:

Forderungen an den Bundeskanzler

Was fordern die Teilnehmerinnen und Teilnehmer von Olaf Scholz? Die Kampagne versteht sich auch als Demokratie-Update. Sowohl, indem sie Menschen ermuntert und empowert, sich direkt an den mächtigsten Politiker im Staat zu wenden. Als auch, indem sie keine konkreten Forderungen vorgibt (wie z.B. bei Petitionen). Es wird "nur" generell eine „politische Zeitenwende fürs Klima“ verlangt – denn dies ist schlicht die Dimension, die es jetzt braucht, nachdem adäquate Maßnahmen über Jahrzehnte hin ausgeblieben sind.


Neben einzelnen umgrenzten Forderungen werden auch allgemeine Vorstellungen geäußert (beispielsweise eine Politik, die sich konsequent an einem fairen CO2-Restbudget ausrichtet). Im folgenden Beispiel richtet die Designerin Nico die Bitte an Olaf Scholz, die "Wahrheit ganz klar auszusprechen", um dann konkrete Forderungen wie die Einführung des Tempolimits anzufügen:

Scan:

Das Besondere an der klimapolitischen Kampagne "Wortblockade" drückt sich in einer Formulierung der Diplom-Psychologin, Psychotherapeutin und Mutter Jessica Meininger aus. Nachdem sie ihre Forderungen jeweils mit Ausrufezeichen versieht, endet sie aufmunternd und freundlich: „Wir vertrauen Ihnen, bitte nutzen Sie das! Vielen Dank.“

Scan:
Kompass im grünen, mosigen Wald.
von Christoph Burger 19 Juli, 2024
Die liberale und konservative Parteienkonkurrenz der Grünen hat im Verbund mit der Springerpresse gezeigt, dass sie die Grünen jederzeit zum Schreckgespenst aufbauen können. Die Verdrängungsgesellschaft freut sich und macht mit beim Grünen-Bashing. Da dies jedoch nicht gegen die Polykrise hilft, braucht es eine Antwort auf die Frage, wie 14,9% Wählerstimmen für 100% Effekt genügen können.
von Christoph Burger 09 Apr., 2024
Die Aktionsform Hungerstreik fürs Klima muss diskutiert werden. Was für Aktions- und Lebensformen sind der eskalierenden Krise angemessen?
Bob, der Wirbelsturm, Satellitenbild
von Christoph Burger 31 Jan., 2024
Wie entsteht Dynamik? Warum explodiert der Protest gegen rechts im Januar 2024? Was lässt sich für andere Bewegungen wie die Klimabewegung lernen? Dynamik erklärt sich aus sich selbst heraus. Doch es braucht auch die richtigen Ausgangsbedingungen und ein Momentum.
von Christoph Burger 01 Nov., 2023
Einigen Astrophysikern zufolge könnten schon andere intelligente Spezies am Klimawandel gescheitert sein. Und was wäre, wenn, ein paar Dinge im Land genau so liefen, wie von der Klimabewegung gewünscht? Sechs kleine Gedankenexperimente können dabei helfen, dass wir unsere Energien an der richtigen Stelle investieren.
von Christoph Burger 25 Okt., 2023
Bei einem Treffen zur Strategie der Klimabewegung lassen alle den Kopf hängen – während ich zunehmend gute Laune bekomme. Warum? Welchen Ausweg sehe ich – vermeintlich? Habe ich schlicht nur die richtigen (Glücks-) Drogen genommen? Ich glaube nicht. Zumindest bin ich stocknüchtern.
von Christoph Burger 09 Okt., 2023
Die AfD erzielt enorme Wahlerfolge in zwei westlichen Bundesländern. Die FDP erleidet Wahlschlappen und will noch mehr ihrer Politik in der Ampel sehen. Die Mitte-Studie zeigte jüngst, wie weitverbreitet rechtes Gedankengut in Deutschland ist. Alles schrecklich für die Klimabewegung. Aber alles ist folgerichtig. Nachdem die Feinde der Menschheit sich sammeln, müssen wir es auch tun – und dafür einen neuen, konservativen Sound finden.
von Christoph Burger 04 Juli, 2023
Jetzt, da die Ökokrisen unser etabliertes Leben bedrohen, lässt sich die berühmte existentielle Frage Hamlets updaten: Wollen wir das Weiterso um jeden Preis? Stehen wir dazu, was dies bedeuten würde? Oder sind wir nur stimmfest, wenn wir uns darüber beschweren, dass die Klimaspinner uns die Freiheit rauben wollen?
Demobild, verschiedene Fahnen und Transparente vor großen Bäumen, einige Wolken
von Christoph Burger 18 Juni, 2023
Kürzlich hat Luisa Neubauer auf Folgendes hingewiesen: Die entscheidende Frage in der Klimakrise ist nicht: Wer hat das bessere Argument? Die Frage ist: Wer hat das mächtigere Argument? Noch zutreffender wäre festzustellen: Es geht überhaupt nicht um Argumente!
von Christoph Burger 11 Juni, 2023
Wir wissen, wo wir stehen. Wir wissen, wohin wir müssen. Was wir brauchen, ist nur noch ein Weg, den wir gehen können. Es gilt, die Partei-Politik-Blockade zu überwinden und ein Design für den Übergang des anstehenden Epochenwechsels zu finden. Interessiert?
von Christoph Burger 24 Mai, 2023
Wieder mal so ein Treffen der Klimabewegung: wo stehen wir, wie kommen wir weiter? Spätestens seit Herbst 2019 geht das so. Was daran auffällt: die Bewegung denkt - schon immer - eine Nummer zu klein.
Weitere Beiträge
Share by: